Einen Kurzausflug der es in sich hatte unternahmen etwa 25 Personen am 17.10.2015 um 10:00 zu der Firma Gemüsebau Steiner in Kirchweidach.
Organisiert hat alles unser Vorstand Hans Wimmer, der schon im Februar dazu reservieren musste.
Zur Webseite der Firma - http://www.gemuesebau-steiner.de/
Zum Video auf Youtube - Film von REWE (2:46 Min) : Pro Planet-Geschichten: Tomaten und Paprika aus Bayern.
Im Schulungsraum der Firma gab es eine allgemeine Sicherheitsbelehrung die mehr zum Schutz der Pflanzen (Schutzkleidung, Desinfektionschleuse, etc.) als der Gäste gedacht war.
In einer 12 minütigen, vertonten Bildpräsentation wurden wir mit einer Fülle an Details über Bau und Anbau der Gemüseproduktion versorgt. Die wichtigsten Punkte dabei waren.
Die Gemüsebau Steiner GmbH & Co. KG ist rein bayerisches Unternehmen mit Sitz im etwa 2300 Einwohner zählenden Kirchweidach. Es hat 5 Gesellschafter aus der Region, das Gründungsjahr war 2013 und die Geschäftsführung obliegt Herrn Josef Steiner. Es werden bis etwa 90 Arbeitnehmer in Kirchweidach beschäftigt. Davon arbeiten 55 im Gewächshaus, 30 in der Verpackung und 5 im Management. 50 Personen sind ganzjährig beschäftig der Rest nur Mai bis August. 80% stammen aus Polen und Rumänien 20% aus der Region. Wir erfuhren auch, dass Deutschland nur einen Selbstversorgungsgrad an Tomaten von 7-8% hat, der Rest muss importiert werden.
Zum Gewächshaus erfuhren wir, dass der Spatenstich im April 2013 erfolgte. Bei einer Fläche von 16 ha, die auf Erbpacht erworben wurden, mussten ca. 80000 m³ Erdreich versetzt werden um eine 100% ebene Fläche zu erhalten. Das Regenwasserbecken, welches 42000 m³ Fassungsvermögen hat, ist 220m lang , 8.5m tief, 45m breit und mit einer 1,5mm starker Folie ausgelegt. Darin werden der gesamte Regen, das Schwitzwasser und der Rücklauf des Gießwassers gesammelt. Somit ist die Bewässerung vollkommen autark und es wird kein Trinkwasser verbraucht.
Die technischen Details des Gewächshauses lassen die gewaltige Dimension erahnen, was wir kurze Zeit später auch zu sehen bekamen. Errichtet wurde es auf ca. 3200 Punktfundamenten. Die Unterkonstruktion besteht aus pulverbeschichtetem verzinktem Stahl, das Dach aus Aluminium. Die Stehwandhöhe beträgt 6 m, die Firsthöhe 7,4 m. Die mehr als 120000 m² Verglasungsfläche besteht aus hagelfestem Glas mit Pyramidenstruktur, für das Dach und feuerfestem Polykarbonat für die Seitenwände. Eine 3000 m² große Verpackungshalle mit Solardach für die Energieversorgung ist optimal in den Arbeitsablauf integriert.
Zwei Ölbrenner mit Gesamtleistung von 20000 kWh die ausschließlich für die Notfallbeheizung der Gemeinde und des Gewächshaus vorgehalten werden sind im separaten Gebäude für die Warmwasserversorgung untergebracht. Dort wird auch das angelieferte durch Geothermie gespeiste Warmwasser aufbereitet und an die Haushalte der Gemeinde und das Gewächshaus verteilt. Die Bohrung hätte eine Leistung bis zu 110 Litern/Sekunde bei 124º Wassertemperatur. Um ein Gespür für den Energieverbrauch zu bekommen, wurde ein vergleichbares konventionell, das heißt fossil beheiztes Gewächshaus vorgestellt. Darin werden in der kalten Jahreszeit täglich etwa 40000 l Heizöl oder anders ausgedrückt, für 1kg Tomaten 1 Liter Heizöl verbraucht. Durch Geothermie kann vollkommen CO2 frei produziert werden. Da das Gemüse regional vermarktet wird, können ca. 1,1Mio LKW-Kilometer im Vergleich zu in Spanien produzierten Tomaten eingespart werden.
Ausgestattet mit dieser Fülle an Informationen, schloss sich die Führung durch das Gewächshaus an.
Herr Georg Burghart zeigte uns sehr detailliert und gut verständlich das eben erfahrene nochmal vor Ort.
Zu Beginn der Führung besuchten wir den Tomatenbereich, in dem 4 Sortenkultiviert werden. Die auf 84 km Pflanzenreihen verteilt sind. Die 83 km verlegten Heizungsrohre dienen unter anderem als Gleise für die Bearbeitung der Pflanzen mit Hubwagen. Hr. Burghart informierte uns über die Innenbeschichtung des Dachs durch die das Schwitzwasser abläuft und gesammelt werden kann, aber nicht auf die Pflanzen tropft. Über dem Boden werden 80.000 holländische veredelte Tomatenpflanzen mit je 3 Trieben in einem in Folie verpacktem Kokossubstrat gepflanzt.
Diese Kultur stammt komplett aus Holland und hat den Vorteil, dass alles kompostierbar ist und das Wasser gut aufnimmt. Etwa 30% des Gießwassers wird zu viel gegossen aber aufgefangen und zurückgeführt in den Wasserkreislauf. Damit entsteht keine Grundwasserbelastung.
Gepflanzt wird Anfang Januar bis Ende November. Mitte März beginnt bereits die Ernte. Damit bei Schneefall keine signifikante Dachlast entsteht, darf Temperatur im Gewächshaus nie unter 13º gehen. Während der Kulturphase sind ohnehin bei den Tomaten 19-21º und 80% Luftfeuchtigkeit notwendig.
Die vorgestellten Tomatenpflanzen wurden auf einer starkwüchsigen Unterlage veredelt und entwickeln so eine Trieblänge von 10-15m. Die werden dann an Drähten gezogen und geschickt umgelenkt.
Zwischen den Reihen stehen Pappschachteln mit Hummeln, die zur Bestäubung der Tomaten verwendet werden. Hummeln sind nicht so aggressiv und ortstreuer als Bienen. Da diese nur etwa 20-30 Tage leben muss regelmäßig für ungefähr 50000€ pro Jahr nachgekauft werden.
Versorgt werden die Pflanzen mit angereichertem Wasser und Kohlendioxyd über die Luft. Den Gastank für das CO2 kann man im Eingangsbereich sehen.
Durch den regionalen Verkauf kann die Ernte so erfolgen, dass die Früchte bereits rot sind und sich der Zucker bereits eingelagert hat. Damit sind die regionalen Tomaten deutlich aromatischer als importierte Tomaten mit ihren langen Transportwegen.
Mit Kärtchen aus Pappe die mit Nützlingseier beklebt sind zeigte uns Herr Burghart, wie hier gegen Schädlinge vorgegangen wird. Zum Einen wird nicht gespritzt zu Anderen werden Nützlingen wie die Schlupfwespe oder die Raubmilbe gegen etwa die Weiße Fliege eingesetzt. Im Herbst wird dann gereinigt und desinfiziert. Der Einsatz der Nützlinge kostet etwa 250000€ pro Jahr.
Dann gingen wir zum abgetrennten Paprikabereich, in dem vier Sorten kultiviert werden. Hier ist fast alles wie im Tomatenbereich. Die Pflanzen sind natürlich andere. Sie werden nur 5-6 m lang sind nicht veredelt wachsen im Boden und brauche eine etwas höhere Temperatur, 21º-23º bei 85% Luftfeuchtigkeit. Die Pflanzen sind empfindlicher als Tomaten was beim Produktionsausfall bis 4% erkennbar wird. Bei der Tomate liegt der Produktionsausfall unter 1%.
Nach dem gut geheizten Gewächshaus ging es in die deutlich kühlere Verpackung. Hier werden die Früchte teils automatisch, teils von Hand sortiert und verpackt. Eine Kartonverklebung, Blisteranlage und Etikettierung unterstützen die Arbeiter bei ihrer Aufgabe. Die Verpacker bekommen dabei mehr als den Mindestlohn und arbeiten nicht Akkord, was natürlich der Qualität zu Gute kommt. Die Sortierung in A-Ware für z.B. Rewe (80%) B-Ware z.B. Tafel wird hier vorgenommen.
Dann machten wir einen kurzen Abstecher in die Wasseraufbereitung. Hier ist die UV-Desinfektion die Mischarmaturen, die zwei Tanks für das Rücklaufwasser und die zwei 750m² Tanks mit dem fertig gemischtem Gießwasser. Das dann über 15 Segmente verteilt den Pflanzen zugeführt wird.
Am Ende der Führung erklärte uns Herr Georg Burghart die Warmwasserversorgung.
An einer Schautafel zeigte er uns noch mal die geologischen Besonderheiten von Kirchweidach die zu der Warmwasserversorgung hier führten. Von den möglichen 110 l/s Heißwasser werden momentan nur 40-50 l/Sek gefördert. Das soll aber bald mit einer neuen leistungsfähigeren Pumpe erhöht werden. Im Heizungshaus sieht man auch die beiden 20kW Ölheizkessel und die Armaturen für die Warmwasserversorgung des Gewächshauses und der 400 Haushalte von Kirchweidach.
Nach der zweistündigen Führung bedankten wir uns noch für die großartige Betriebsbesichtigung und erhielten zum Abschied noch eine kleine Kiste mit 5 Pfund Tomaten und Paprika.